Stop TTIP CETA Demo in Berlin [E15002]
A. Infos zum Rahmen der Versammlung:
Zeitraum: 10.10.2015, ca. 11:00 Uhr bis 18:00
Ort: Berlin, Hbf -> Protestmarsch zur Siegessäule
Am 10.10.2015 fand die von einem breiten Bündnis aus Umwelt-, Verbraucherschutz-, und Arbeitnehmerverbänden organisierte Großdemonstration gegen das Transatlantische Freihandelsabkommen (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP) in Berlin statt. Zahlreiche Gewerkschaften waren mit ihren Mitgliedern vertreten, u.a. auch die Gewerkschaft der Polizei. Das Konfliktpotential war in der Gefährdungslageeinschätzung der Behörden im Vorfeld als niedrig eingestuft worden, wie ein Beamter der Bundespolizei mitteilte. Entsprechend war das Polizeiaufgebot verhältnismäßig klein.
PeaceWatch.de war bei der Versammlung mit einem Demonstrationsbeobachter vertreten.
Ablauf:
- Auftaktkundgebung ab 11 Uhr, Berlin/Hauptbahnhof – Washingtonplatz
- Beginn der Demonstration 12 Uhr, Berlin/Hauptbahnhof – Washingtonplatz
- Abschlusskundgebung im Anschluss an die Demonstration auf dem Großen Stern / Siegessäule
Die Gegner des Freihandelsabkommens kritisierten, durch TTIP würde/n…
- Konzernen ermöglicht, vor mit Wirtschaftsanwälten besetzten Schiedsgerichten Regierungen verklagen, wenn diese beispielsweise Umweltauflagen machen (ISDS – Investor-state dispute settlement)
- Genehmigungen beschleunigt und dadurch die Bürgerbeteiligung ausgebremst
- Gentechnik und Masthormone in der EU zugelassen
- Exporte von Erdgas aus Fracking steigen
- Arbeitnehmerrechte abgebaut
- Regierungsvorschriften zur Lebensmittelkennzeichnung eingeschränkt
- reine Lobbyinteressen von Großkonzernen realisiert ohne auf Bürgerrechte zu achten
B. Zusammenfassende Bewertung der Versammlung:
Aus Sicht von PeaceWatch verliefen die Proteste gegen TTIP vollkommen friedlich. Die Größe der Demonstration mit 150.000 Personen (laut Polizeiangaben) bzw. 250.000 Personen (laut Veranstalter) war beeindruckend. Das Geschehen war auf Grund der Menschenmassen schwer zu überblicken – zwischenzeitlich musste sogar der Berliner Hauptbahnhof gesperrt werden, da der Protestzug nicht so schnell weiter ziehen konnten, wie neue Menschen nachkamen. Der politische Hintergrund der Protestierenden war insgesamt sehr vielschichtig: Gewerkschafter, Umweltschützer, Landwirte, Linke, Kirchenvertreter, Datenschützer, … Laut Medienberichten sollen angeblich auch ein paar Demonstranten aus dem rechtspopulistischen Spektrum an der Versammlung teilgenommen haben – PeaceWatch hat jedoch keine (an Banner-Sprüchen oder Symbolen) erkennbaren rechte Gruppierungen oder Einzelpersonen beobachten können.
Dass es trotz der inhomogenen Masse an Menschen zu keinen Konflikten kam und gleichzeitig nur wenige Polizisten eingesetzt wurden, ist aus Bürgerrechtssicht überaus erfreulich. Die Versammlung kann daher als positives Beispiel für Bürgerbeteiligung und friedlichen Protest in einer Demokratie betrachtet werden.
Einsatztaktische Fehler auf Seiten der Polizei wurden keine sichtbar. Die meisten Beamten (bis auf wenige Ausnahmen) waren sehr freundlich. Positiv zu erwähnen ist der Einsatz von Kommunikationspolizist_innen.
C. Fallberichte:
10.10.2015: Stehen gebliebener Protesttraktor vor dem Bundestag [E15002F1]
Eine Interessante Situation ergab sich, als ein Traktor mit einem Trojanischen-TTIP-Protestpferd auf dem Anhänger direkt vor dem Bundestag stehen blieb. Der Fahrer des Traktors gab an, er könne auf Grund eines technischen Defekts leider nicht weiterfahren. PeaceWatch.de beobachtete die Situation einige Minuten lang – während dieser Zeit reagierten die zuständigen Polizeibeamten gelassen und verständsnisvoll. Sie versuchten mit den Landwirten gemeinsam ein anderes Zugfahrzeug zu organisieren, damit der Traktor mit Anhänger entfernt werden konnte.
10.10.2015: Polizeiliche Maßnahmen an Aktivisten bei der Siegessäule [E15002F2]
Im weiteren Verlauf der Versammlung stieß der PeaceWatch-Beobachter noch zu einer weiteren kleineren Konfliktsituation, als Beamte polizeiliche Maßnahmen an Aktivisten durchführten, die sich zuvor angeblich mit Bannern von der Siegessäule abseilen wollten.
Als der Beobachter zur Situation kam, standen die Aktivisten von Polizisten umringt zwischen mehreren Polizeiautos auf der Straße vor der Siegessäule. Offensichtlich wurden sie am Weggehen gehindert – die Atmosphäre zwischen Beamten und Aktivisten war etwas angespannt. PeaceWatch erkundigte sich bei den Betroffenen nach dem Grund dieser polizeilichen Maßnahme. Dieser war den Aktivisten (manche davon mit Greenpeace-Logo gekennzeichnet) aber scheinbar nicht von den Beamten mitgeteilt worden. Auch ob es sich rechtlich um eine vorläufige Festnahme, eine Ingewahrsamnahme durch die Polizei zum Zwecke der Gefahrenabwehr, oder ein reines Festhalten zur Personalienfeststellung handelte, war den Personen nicht bekannt.
Einer der umstehenden Beamten reagierte zunächst etwas unfreundlich auf die Fragen des PeaceWatch-Beobachters und forderte diesen zum Weitergehen auf. Der Beobachter stellte klar, dass er keine polizeilichen Maßnahmen behindere, sondern sich lediglich mit den Aktivisten unterhalten wolle. Daraufhin erklärte der Beamte den Grund der polizeilichen Maßnahme: Angeblich hätten manche der Aktivisten Widerstand gegen die Polizisten geleistet; nun werden ihre Personalien überprüft und ihre Ausrüstungsgegenstände untersucht, eventuell konfisziert und ggf. Platzverweise erteilt. Dies dauere leider etwas länger.
Im weiteren Verlauf der Situation konnte der PeaceWatch-Beobachter Gespräche mit den Beteiligten führen und den Polizisten die Arbeitsweise von PeaceWatch mit Hilfe von Flyern vermitteln. Daraufhin entspannte sich die Stimmung zwischen allen Anwesenden und die Polizeibeamten wurden spürbar freundlicher. Die Polizisten bemühten sich anschließend sichtlich, offene Fragen der betroffenen Aktivisten, des Beobachters und der Passanten kompetent und freundlich zu beantworten. Die weiteren Maßnahmen (Sichtung der Kletterausrüstung, Erteilung von Platzverweisen) wurden ruhig und gut organisiert umgesetzt.
Die Durchführung der polizeilichen Maßnahme kann aus Sicht des Beobachters zusammenfassend wie folgt beurteilt werden:
– Die Kommunikation am Anfang der polizeilichen Maßnahme war etwas unklar.
– Im weiteren Verlauf jedoch kann die polizeiliche Maßnahme als strukturiert und auch gut kommuniziert bezeichnet werden.
Die Aktivisten verhielten sich während der Anwesenheit des Beobachters den Beamten gegenüber stets freundlich und kooperativ – ein Widerstand gegen die Polizisten konnte nicht beobachtet werden. Ein Aktivist gab dem Beobachter gegenüber an, er hätte sich bei seiner Aktion mit Hilfe seiner Ausrüstung nur in Sicherheit gebracht und sich nicht gegen polizeiliche Maßnahmen gewehrt. Auch sei ihnen auf der Siegessäule selbst keine klare Handlungs-Aufforderung von der Polizei kommuniziert worden. Insofern ist aus Sicht von PeaceWatch fraglich, ob der von Polizeiseite vorgebrachte Tatvorwurf des “Widerstandes” haltbar ist.